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Aktuelle Nachrichten aus den kbo-Lech-Mangfall-Kliniken!

Ein Jahr Stationsäquivalente Behandlung (StäB) – das neue Behandlungskonzept der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen am Standort Peißenberg für den Landkreis Weilheim-Schongau kommt bei den Patientinnen und Patienten sehr gut an

Peißenberg, im September 2022

Seit sie in Behandlung durch das StäB Team ist, fühlt sich Anna B. (37) erstmals in ihrem Leben so richtig wohl. In einem offenen Gespräch sprachen wir mit der Mutter zweier Söhne über ihre Erfahrungen mit der neuen Behandlungsmethode.

Frau B., Sie waren in einer StäB-Behandlung und sind inzwischen wieder gesund, wie sind Ihre Erfahrungen mit dieser neuen Art der Behandlung?
StäB war und ist ein ganz großer Glücksfall für mich. Für mich passte diese Form der Betreuung unglaublich gut und war so positiv, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann.
Sie waren schon zuvor viele Jahre lang in ärztlicher und therapeutischer Behandlung?
Ja, zunächst wegen Blasenentzündungen, deren Ursache nicht gefunden wurde. Später kamen Depressionen hinzu, trotz vieler Medikamente wurden sie nicht besser. Dann habe ich angefangen, mich zu ritzen, durch eine massive innere Anspannung habe ich mich immer wieder selbst verletzt, fügte mir – oft unbewusst - auch Blutergüsse zu. Mein Hausarzt kannte sich zum Glück mit der Psyche ein wenig aus und empfahl mir die kbo-Lech-Mangfall Klinik in Peißenberg. Seit 2015 war ich dort in Behandlung, mir ging es seitdem stetig besser. Man kam der Ursache meiner Probleme – traumatischer Kindheitserlebnisse - auf die Spur. Dieses hatte ich Jahrzehnte verdrängt. Gemeinsam mit den Ärzten und Therapeuten der kbo-Klinik begann ich mit der Aufarbeitung. Doch dann kam Corona dazwischen, die regelmäßigen Gespräche und Therapien konnten nicht mehr engmaschig stattfinden und ich fiel wieder in ein tiefes Loch.
Sie waren wegen der Pandemie viel daheim mit ihrem Mann, der an Parkinson erkrankt ist, und von dem Sie inzwischen getrennt sind, sowie ihren beiden gemeinsamen Söhnen (heute 6 und 15 Jahre alt)?
Es gab auch wegen der Enge immer wieder Streit, wir hatten Geldsorgen, ich fühlte mich mit allem stark überfordert und habe versucht zu funktionieren, bis das Fass überlief. Dann empfahl mir mein behandelnder Arzt die Stationsäquivalente Behandlung der kbo-Lech-Mangfall Kliniken gGmbH.
Hier kommt das Ärzte- und Therapeutenteam täglich zu den Patient/innen nach Hause.
Genau, für mich war das die Rettung. Jeden Tag kam ein Arzt/Ärztin, Psychologe/in oder Therapeut/in aus dem StäB-Team – einige Gesichter kannte ich schon von meiner Behandlung in der Tagesklinik - für mindestens eine Stunde zu verschiedenen Uhrzeiten vorbei. Jeder hatte seine eigene Art, seinen eigenen Behandlungsstil und von jedem habe ich Unterschiedliches gelernt. Anfangs fühlte ich einen gewissen Druck, ich war regelmäßige Besuche nicht mehr gewöhnt, wusste nicht, was mich erwartet und daheim sah es recht schlimm aus, ich habe den Haushalt einfach nicht geschafft und mich dafür geschämt. Doch das Team nahm mir alle Vorbehalte, ich gewöhnte mich an die regelmäßigen Besuche und wusste sie immer mehr zu schätzen. Ein großer Vorteil für mich lag darin, dass ich nicht mehr, wie beispielsweise nach einer Behandlung in der Tageklinik, zuhause wieder mit der dortigen Situation konfrontiert wurde, sondern diese gleich mit bearbeitet wurde. Es gab keinen Bruch mehr zwischen Behandlung und Alltag.
Wie verliefen denn die StäB-Sitzungen?
Ich konnte den Verlauf immer frei wählen, ob gemeinsames Einkaufen, Kochen, mit den Hunden vor die Tür gehen, Termine wahrnehmen – einmal sind wir beispielsweise wegen eines Notfalls zum Tierarzt gefahren - oder einfach nur reden, ich durfte es mir aussuchen. Erstmals in meinem Leben wurde nach meinen persönlichen Bedürfnissen und Wünschen gefragt. Das Team war unglaublich fürsorglich. Ich habe mich sicher und aufgehoben gefühlt und gelernt, mit Alltagssituationen zurechtzukommen. Nach und nach ging es mir besser, ich habe mich relativ schnell unter dieser intensiven Betreuung stabilisiert. Dass auch meine Kinder und die Hunde in die Behandlung integriert worden sind, war sehr wichtig und hilfreich.
Können Sie Beispiele des Fortschritts nennen?
Vor der StäB Behandlung habe ich es kaum geschafft, mal vor die Tür zu gehen. Meine zwei Hunde mussten immer im Kreis laufen. Heute sind längere Märsche möglich. Ich kann wieder allein in den Ort gehen und die Leute sind erstaunt, wie gut es mir geht. Ich bin selbständig geworden, habe gelernt, Prioritäten zu setzen und Vorhaben durchzuziehen. Ich bin endlich bei mir und im Hier und Jetzt angekommen (strahlt).
Was ist aus Ihrer Sicht für den Erfolg von StäB wichtig?
Man muss sich voll und ganz auf die Behandlung einlassen und bereit sein, an sich zu arbeiten und sich zu verändern. Wie ich mich vom Team wertgeschätzt gefühlt habe, habe ich das Team wertgeschätzt.
Frau B., wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen und Ihre Familie alles Gute.

Das Gespräch führte Barbara Falkenberg


Fragen an Frau Sabine Kühnel, StäB-Teamleitung

Frau Kühnel, für wen ist StäB eine geeignete Behandlungsform?
Grundsätzlich ist die Behandlung für alle psychiatrischen Erkrankungen möglich. Da die Behandlungsform im häuslichen Kontext stattfindet, liegt der Schwerpunkt der Patient/Innen dabei auf Menschen, die beispielsweise auf die Vertrautheit ihrer häuslichen Umgebung angewiesen sind oder große Vorbehalte gegenüber einem Klinikaufenthalt haben, die unter starken Ängsten oder Zwängen leiden oder versorgungsbedürftige, kleine Kinder daheim betreuen.
Wie lange dauert eine StäB –Therapie?
Bis die Behandlungsziele erreicht sind, in der Regel ist das nach sechs bis zwölf Wochen der Fall.
Wie geht es nach dem Ende der Behandlung weiter?
Je nach Bedarf bieten wir den Patient/Innen weitere Termine an, wir lassen sie nicht allein, es gibt ein geeignetes Nachsorge-Setting.
Welche besonderen Qualitäten braucht man aus Therapeutensicht?
Viel Fein- und Fingerspitzengefühl und Klarheit, man muss sich gut abgrenzen können. Auch sollte man nicht zu zimperlich und flexibel sein, denn man weiß nie, was einen erwartet. Man muss auch bereit sein, Nähe zuzulassen.
Was gefällt Ihnen aus Sicht der Therapeutin an StäB?
Man wird für eine Zeitlang gewissermaßen ein Teil der Familie und ist dadurch, dass man im Zuhause der Patient/Innen wirkt, noch näher an ihnen dran. Das ist sehr schön. Jede Distanz fällt weg und durch den sehr intensiven Austausch lernt man die PatientInnen noch besser und schneller kennen.


Weitere Informationen zu StäB:

Seit dem 01. Oktober 2021 bietet die kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen am Standort Peißenberg für den Landkreis Weilheim-Schongau die Stationsäquivalente Behandlung (StäB) mit 20 Plätzen an, um dem wachsenden Bedarf und der Nachfrage nach wohnortnaher, stationärer Versorgung gerecht zu werden.
„Intensivere psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung war bisher nur in stationären Einrichtungen möglich. Ganz im Sinne des Leitsatzes der psychiatrischen Reform von 1970 „ambulant vor stationär“ haben seit Januar 2018 psychiatrische Kliniken unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit, Patienten mit der Indikation zur stationären Therapie auch zu Hause zu behandeln“, erklärt Katharina Kopiecny, Geschäftsführerin der kbo-Lech-Mangfall-Kliniken gGmbH, das dahinter stehende Konzept.
Die entscheidenden Voraussetzungen seien, dass sich das Behandlungsziel am ehesten im häuslichen Umfeld erreichen lässt und die Behandlung von diesem Umfeld auch unterstützt wird. „Bei der Stationsäquivalenten Behandlung mit ihrem intensiven Behandlungsangebot außerhalb der Klinik handelt es sich dabei um eine komplexe, aufsuchende, zeitlich begrenzte, akutpsychiatrische Behandlung, die durch ein mobiles, multiprofessionelles Team im unmittelbaren Lebensumfeld des Patienten durchgeführt wird“, führt Privatdozent und Chefarzt der kbo-Lech-Mangfall-Kliniken Garmisch-Partenkirchen und Peißenberg, Dr. Florrian Seemüller aus.
Dieser neue Behandlungsansatz in der psychiatrischen Krankenhausbehandlung löst die Behandlungsmerkmale der stationären akutpsychiatrischen Behandlung von der äußeren Form des stationären Aufenthalts und verlagert diese in das Lebensumfeld der Patienten. Medikamentöse, ärztliche, pflegerische, sozialpädagogische, psycho- und fachtherapeutische Angebote werden unter fortlaufender, engmaschiger Überwachung des Gesundheitszustands der Patienten - je nach Bedarf auch rund um die Uhr und an allen Tagen der Woche - angeboten. Diese Form der Behandlung im häuslichen Umfeld der Patienten entspricht hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung mit dem Ziel einer Symptomreduktion und dem Erhalt bzw. der schnellen Wiederherstellung psychischer und gesellschaftlicher Funktionen der Betroffenen. Die Bewältigung der Erkrankung im häuslichen Umfeld unterstützt den Erhalt größtmöglicher gesellschaftlicher Teilhabe und der Selbstbestimmung und dient somit der Vermeidung krankheitsaufrechterhaltender Regression, ein bekanntes Phänomen im Kontext vollstationärer Aufnahmen. Der selbstverantwortliche Umgang der Patienten mit ihrer Erkrankung soll durch StäB gefördert sowie der weitere Verlauf präventiv positiv beeinflusst werden. Zudem können Behandlungsangebote individuell ausgestaltet und angepasst werden.